Fahrt nach Siebenbürgen und Budapest (3. – 14. Oktober 2014)
Konzerte und Begegnungen
Seit 800 Jahren ist Transsilvanien, das Land im Karpatenbogen, die
Heimat der Siebenbürger Sachsen. Über die Jahrhunderte haben sie als
stets einflussreiche Minderheit ihre Sprache und Tradition bewahrt. Nur
ein Vierteljahrhundert nach der Reformation in Deutschland wurden sie
auf Initiative des Kronstädter Gelehrten Johannes Honterus im Jahr 1542
lutherisch. In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts –
während des Ceauescu-Regimes und hauptsächlich kurz nach der Wende im
Jahr 1990 fand der große Exodus nach Deutschland statt. Von etwa 300 000
Siebenbürger Sachsen vor 80 Jahren sind derzeit nur noch 15000 (5%) in
ihrer Heimat geblieben. Geht damit eine 800-jährige Geschichte zu Ende?
Für uns, die Bünder Kantorei, ein guter Grund, diese Gemeinden zu
besuchen und natürlich eine Möglichkeit, dort unseren Chorgesang zu
präsentieren.
Im Weiteren diente diese Reise dazu, vorgefasste
Meinungen und Ansichten über das Land Rumänien durch authentisches
Erleben und Wahrnehmen zu ersetzen. Jeder der 70 Teilnehmer ist erfüllt
von den positiven Begegnungen und Eindrücken. Rumänien – insbesondere
Siebenbürgen – ist allemal eine Reise wert!
Bis zum Jahr 1920 war
Transsilvanien ein Teil Ungarns bis es durch den Vertrag von Trianon
Rumänien zugesprochen wurde. Im Gegensatz zu den Siebenbürger Sachsen
ist die ungarische Bevölkerung im Land geblieben und stellt in einigen
Gegenden bis zu 50 % der Bevölkerung. Damit stellt unser anschließender
Besuch in der ungarischen Hauptstadt eine schlüssige Ergänzung und einen
krönenden Abschluss dar.
Die Konzerte
Drei Konzerte und zwei musikalische Mitgestaltungen von
Gottesdiensten in Ev. – luth. Gemeinden wurden von der Bünder Kantorei
während der Fahrt ausgerichtet.
Der Gottesdienst am 16. Sonntag nach Trinitatis fand in der
‚Schwarzen Kirche‘ zu Bras,ov/Kronstadt statt. Am darauffolgenden
Sonntag sangen wir in einem zweisprachigen Gottesdienst
(ungarisch/deutsch) in der Kirche am Wiener-Tor-Platz auf dem Budapester
Burgberg.
Die Aufführungsorte der Konzerte waren die
• Bergkirche in Sighis,oara/Schässburg
• Johanneskirche in Sibiu/Hermannstadt
• Reformierte Kirche am Kalvinplatz in Budapest
Das Programm am Beispiel des Konzerts in der Schässburger Bergkirche:
Mittwoch, 8. Oktober, 18.00 Uhr
Bergkirche Schäßburg
Konzert der Bünder Kantorei
europäische Chormusik aus 5 Jahrhunderten
- „Alta trinita beata“ Anonymus 15. Jahrhundert
Chor und Blockflötenquartett - „Wer die Musik sich erkiest“ Hugo Distler (1908 – 1942)
- „Ecce quomodo moritur justus“ Jacobus Gallus (1550 – 1591)
- „O Lord, in thee is all my trust“ Thomas Tallis (1505 – 1585)
- „Chantez a Dieu“ (Psalm 149) Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 – 1621)
- „Est ce Mars“ Jan Pieterszoon Sweelinck
Liedvariationen für Orgel - „Fantasia“ (Orgel)Adriano Banchieri (1568 – 1634)
- „Cantemus“ Lorenz Mayrhofer (*1956)
Blockflötenquartett „einzig & artig“ - „Ein feste Burg ist unser Gott“ aus dem Kronstädter Kanzionale, 17. Jahrh.
- „So gehe hin und iss dein Brot mit Freuden“
Schlusschor aus dem Oratorium der Kapitänsmusik 1730 Georg Philipp Telemann(1681 – 1767) - Sonate C-Dur (Orgel), Franz Xaver Schnizer (1740 – 1785)
- „Laudate pueri“ Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Kammerchor der Bünder Kantorei - „Ex Sion species decoris ejus“ Josef Rheinberger (1839 – 1901)
- „Locus iste“ Anton Bruckner (1824 – 1896)
- „Four hands, four necks, one wreathing“ Thomas Weelkes (1576 – 1623)
Kammerchor der Bünder Kantorei - „Can´t buy me love“ Beatles
Kammerchor der Bünder Kantorei - „Clare Benediction“
„May the lord show his mercy upon you“ John Rutter (*1945) - „Notre Père“ Maurice Duruflé (1902 – 1986)
- „Komm, Trost der Welt“ Christian Lahusen (1886 – 1975)
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„In dir ist Freude“
Die Begegnungen
Bras,ov/Kronstadt
Eckhard Schlandt, der Vater und Vorgänger des derzeitigen Kronstädter
Kantors, Steffen Schlandt, berichtete über seine Gemeinde und das
Musikleben in der Stadt. Die Kronstädter Gemeinde zählt noch etwa 1000
Gemeindeglieder. Von ihnen besuchen im Schnitt 50 – 60 die sonntäglichen
Gottesdienste.
Im Sommer finden in der Schwarzen Kirche dreimal in
der Woche Konzerte auf der berühmten, fast 180 Jahre alten
Buchholz-Orgel statt. Während unseres Aufenthalts ging die alljährlich
wiederkehrende Konzertwoche ‚Musica Coronensis‘ – organisiert von
Steffen Schlandt – zu Ende. Dort kommen Werke transsilvanischer,
insbesondere Kronstädter Komponisten aus allen Epochen mit ebenfalls
hiesigen Interpreten zur Aufführung. Wir hatten das Vergnügen, der
Burzenländer Blaskapelle zu lauschen und ein Konzert in der Philharmonie
zu besuchen.
In Kronstadt, sowie auch in Schässburg und
Hermannstadt, gibt es jeweils direkt neben den Kirchen die deutschen
Lyzeen. Sie erfreuen sich großen Zuspruchs – vor allem auch von
rumänischen Schülern.
Viscri/Deutsch-Weißkirch
Einen emotionalen Höhepunkt stellte der Besuch des Sachsendorfes
Deutsch-Weißkirch dar. Von den ursprünglich 300 sächsischen Bewohnern
sind nur noch 2 Familien übrig. Im Dorf wohnen jetzt hauptsächlich Roma
und Rumänen.
Für den Besucher ist es eine Reise in die Vergangenheit. Die
Dorfstruktur hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert. Inzwischen sind
fast alle Häuser liebevoll restauriert und frisch angestrichen. Das
gleiche gilt für die Kirchenburg, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Die Initiative geht von der sächsischen Dorfvorsteherin, sowie ihrer
Mutter und Schwester aus. Sie sind vor allem bemüht, die Roma-Familien
mit einzubinden, bemühen sich, dass alle Kinder die 15 Kilometer
entfernte Schule besuchen können. Eine ‚Filz- und Sockenstrickaktion‘
soll etwas finanzielle Unterstützung für die Familien bringen.
Unterstützt wird das Dorf durch den ‚Mihai Eminescu-Trust‘, zu dessen
Zielen die Bewahrung des kulturellen Erbes gehört.
Die Burgwächterin
und Mutter der Dorfvorsteherin, Sara Dootz, hatte sehr viele
aufmerksame Zuhörerinnen und Zuhörer, als sie mit Begeisterung und Stolz
von ihrem Dorf und ihrem ereignisreichen Leben sprach. Für sie und uns
war es ein großer Moment, als das alte Kirchlein mit seiner schön
restaurierten Orgel mit Chorklang aus 60 Kehlen gefüllt war – inzwischen
ein sehr seltenes Ereignis.
Die Magie dieses Ortes haben auch zwei
Prominente gespürt, sich dort jeweils ein Haus gekauft und kommen
regelmäßig zu Besuch: Prinz Charles und Peter Maffay. (Um die
Authentizität des Dorfes zu bewahren, wird es normalerweise keinem
Ortsfremden gestattet, sich dort ein Haus zu kaufen)
Malancrav/Malmkrog
Seit nunmehr 20 Jahren versieht das Ehepaar Lorenz aus Thüringen den
Pfarrdienst in der zahlenmäßig noch verhältnismäßig starken Gemeinde
Malmkrog. Die Kirche – ebenfalls Weltkulturerbe – besticht durch ihre
noch sehr gut erhaltene Innenausmalung aus vorreformatorischer Zeit
Mediasch
Schon von Weitem grüßt der schiefe Turm, der mitten in der Stadt
gelegenen Kirchenburg. Das Lot – von der Dachkante gemessen – weicht um
2,15 Meter ab.
Der Mediascher Pfarrer Servatius-Depner erläuterte
uns den Wandel in der Ev.-luth. Gemeinde. Wo früher die Zugehörigkeit zu
einer Ethnie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession absolut
festlegte (Siebenbürger Sachse = Ev.-lutherisch; Rumäne =
Griech.-orthodox etc.), brechen diese Junktims heute auf. Inzwischen
werden auch evangelische Gottesdienste auf Rumänisch gehalten.
Sibiu/Hermannstadt
Sibiu ist in vielen Bereichen nicht von einer westeuropäischen
Großstadt zu unterscheiden. Es ist die Stadt mit der stärksten
wirtschaftlichen Entwicklung in Rumänien – nicht zuletzt dank seines
Bürgermeisters Klaus Iohannes, einem Siebenbürger Sachsen. Dieses
Erfolgsmodell möchte er auf das ganze Land übertragen und stellt sich
als Kandidat für das Amt des rumänischen Präsidenten zur Wahl.
Die Evangelische Stadtpfarrkirche, eines der Wahrzeichen
Hermannstadts, wird seit mehreren Jahren aufwändig restauriert. Die
Arbeiten sind bereits weit fortgeschritten, ein konkretes Datum zur
Wiedereröffnung ist noch nicht in Sicht. Derzeit finden die
Gottesdienste in der kleinen Johanneskirche neben dem Gemeindezentrum
und dem Siebenbürgen-Museum statt.
Budapest
Budapest – obwohl bei Etlichen schon bekannt – überrascht immer
wieder durch seine Pracht, ob es der Blick vom Burgberg ist oder eine
Abendfahrt auf der Donau bei beeindruckender Illumination.
In Budapest gab es ein Wiedersehen mit Annikó Fekete. Sie war
Studentin der Hochschule für Kirchenmusik in Herford und Leiterin des
Kirchenchores Mennighüffen. Ihrer Vermittlung verdanken wir unsere
Auftritte in der Kirche am Wiener-Tor-Platz und der Reformierten Kirche
am Kalvinplatz.